17 September 2024
Universitätsbibliothek der TU Bergakademie Freiberg
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"Das ist nicht in unserer Verantwortung" - Strategien zur nachhaltigen Bereitstellung lebender Systeme

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20m
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Winklerstraße 3 09599 Freiberg
Impulsvortrag SaxFDM-Tagung Impulsvorträge

Description

Lebende Systeme sind zentrale Ergebnisse von Forschung und sollten, in gleichem Maße wie Forschungsdaten, auffindbar, zugänglich, interoperabel und nachnutzbar i.S.d. FAIR-Prinzipien sein (Wilkinson et al. 2016). Dies ist allerdings tendenziell eher selten der Fall: Lebende Systeme gehen regelmäßig verloren und mit ihnen essenzielle Forschungsergebnisse (bzw. der Zugang zu ihnen). Eine Analyse des umfangreichen Katalogs Digitaler Editionen von Patrick Sahle zeigt bspw., dass lediglich 383 von 789 digitalen Editionen über ihre dort gelisteten URLs erreichbar sind (siehe Abb. 1), 406 Einträge verfügen aus unterschiedlichen Gründen (siehe Abb. 2) über fehlerhafte URLs.

Für den nachhaltigen Betrieb lebender Systeme existieren bereits unterschiedliche Strategien: (1) Die Bereitstellung ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen (Smithies et al. 2019), bspw. für Infrastrukturen, die lebende Systeme über die Projektlaufzeit hinweg übernehmen und betreiben, (2) die Beschränkung zu nutzender Technologie-Stacks (Arneil et al. 2019) für die Entwicklung lebender Systeme auf Basis von de-facto Standards (bspw. Cugliana und van Zundert 2022: S. 49-50), (3) die Virtualisierung oder Kapselung lebender Systeme (bspw. durch Docker) (Smithies et al. 2019) oder (4) das statische Hosting lebender Systeme (Arneil et al. 2019). Allerdings sind all diese Strategien restriktiv: Der umfassende Betrieb von lebenden Systemen skaliert bei wachsender Anzahl an Anwendungen nicht, es gibt nur wenige Standards, restriktive Technologie-Stacks stehen im Widerspruch zur Freiheit der Wissenschaft und statisches Hosting bedeutet häufig auch den Verlust von (notwendigen) Funktionalitäten. Darüber hinaus scheint auch noch kein umfassendes Serviceangebot für den Dauerbetrieb von lebenden Systemen zu existieren (Helling et al. 2024).

Bestehende Strategien im Umgang mit lebenden Systemen stehen aktuell im Spannungsfeld zwischen Skalierbarkeit, Verlust von Funktionalitäten und effektiver Nachnutzbarkeit der Ressourcen. Es fehlt weiterhin ein Ansatz, der sowohl finanzielle und personelle Anforderungen niedrig hält, gleichzeitig das Bestehen substanzieller Funktionalitäten pauschal gewährleisten kann.

Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Betrieb lebender Systeme in der Verantwortung aller Stakeholder liegt – Drittmittelgeber, Forschende und Datenzentren/Universitäten. Drittmittelgeber müssen nachhaltige, lebende Systeme finanzieren und Konzepte der nachhaltigen Entwicklung Teil des Begutachtungsprozesses machen. Forschende müssen das Management von lebenden Systemen vom Beginn ihrer Forschungsvorhaben an mitberücksichtigen. Datenzentren und Universitäten müssen spezifische Unterstützung von Forschenden anbieten, bspw. durch das Angebot von Software Management Plänen (Alves et al. 2021), sowie durch die Entwicklung von Strategien zur nachhaltigen Übernahme lebender Systeme.

In diesem Vortrag werde ich diese verschiedenen Verantwortlichkeiten im Detail vorstellen und für eine Orchestrierung der verschiedenen Stakeholder argumentieren, um auf diese Weise Restriktionen bestehender Strategien für den nachhaltigen Umgang mit lebenden Systemen zu umgehen.

Bibliographie
Alves, Renato, Dimitrios Bampalikis, Leyla Jael Castro, José María Fernández, Jennifer Harrow, Mateusz Kuzak, Eva Martin, Fotis E. Psomopoulos, und Allegra Via. 2021. „ELIXIR Software Management Plan for Life Sciences“. Preprint. BioHackrXiv. https://doi.org/10.37044/osf.io/k8znb.

Arneil, Stewart, Martin Holmes, und Greg Newton. 2019. „Project Endings: Early Impressions From Our Recent Survey On Project Longevity In DH“. DataverseNL. https://doi.org/10.34894/SIKOBN.

Cugliana, Elisa and Joris van Zundert. 2022. “A Computational Turn in Digital Philology.” In: La filologia germanica e il paradigma digitale: modelli, metodi e strumenti per i testi germanici medievali = Germanic philology and the digital paradigm: models, methods and tools for medieval germanics texts. o. J. Milano: Prometheus. S. 40/50.

Helling, Patrick, Felix Rau, Philip Schildkamp, Lisa Dieckmann, Johanna Puhl, und Ulrike Henny-Krahmer. 2024. „Still alive?! - Vom Umgang mit lebenden Systemen in den Digital Humanities“, Digital Humanities Konferenz „Quo Vadis DH?“, Februar 2024. https://doi.org/10.5281/ZENODO.10698430.

Smithies, James, Carina Westling, Anna-Maria Sichani, Pam Mellen und Arianna Ciula. 2019. “Managing 100 Digital Humanities Projects: Digital Scholarship & Archiving in King’s Digital Lab.” digital humanities quarterly. http://www.digitalhumanities.org/dhq/vol/13/1/000411/000411.html (letzter Zugriff: 17. Juli 2023).

Wilkinson, Mark D., Michel Dumontier, IJsbrand Jan Aalbersberg, Gabrielle Appleton, Myles Axton, Arie Baak, Niklas Blomberg, u. a. 2016. „The FAIR Guiding Principles for Scientific Data Management and Stewardship“. Scientific Data 3 (1): 160018. https://doi.org/10.1038/sdata.2016.18.

Primary author

Patrick Helling (Data Center for the Humanities (DCH), Universität zu Köln)

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